Die letzte Stufe des Völkermordes: Negationismus

Am 1. November 2005 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. In derselben Resolution fordern die Vereinten Nationen ihre Mitgliedstaaten auf, einen einschlägigen Lehrplan zu erarbeiten, den Holocaust als eine historische Tatsache zu anerkennen, die Bemühungen der Staaten, die sich für die Erhaltung der Holocaust-Denkmäler einsetzten, zu unterstützen, jegliche Volksverhetzungen zu verurteilen sowie ein Informationsprogramm zum Thema Holocaust zu erarbeiten.[1]

Damit wurde der Holocaust, das grösste Verbrechen der Menschheit, zu einer Angelegenheit der internationalen Gemeinschaft. Die Universalisierung des Holocausts musste aus mehreren Gründen geschehen. Einer davon wird bei der Forderung eines Erziehungsprogrammes ersichtlich: Die Vereinten Nationen fordern die „Mitgliedstaaten auf, Erziehungsprogramme zu erarbeiten, die die Lehren des Holocausts im Bewusstsein künftiger Genrationen verankern werden, um zu verhindern, dass es in der Zukunft wieder zu Völkermordhandlungen kommt“. Diese Forderung gibt auch Aufschluss darüber, wie eine Präventionsarbeit auszuschauen hat.

Nebst bewusstseinsfördernden Projekten braucht es zudem rechtliche Konsequenzen für Taten, die das Ziel haben, den Holocaust zu verleugnen. Denn der Völkermord ist ein derartig grausames Verbrechen, dass auch strafrechtliche Massnahmen vonnöten sind, um gegen das Vergessen bzw. die Geschichtsverzerrung vorzugehen können. Einerseits muss die Volksverhetzung unter Strafe gestellt werden und andererseits darf das Verleugnen eines Völkermordes nicht toleriert werden. Das Schweizerische Strafgesetzbuch[2] stellt die beiden Handlungen in Artikel 261 (bis Rassendiskriminierung) unter Strafe:

„Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft … wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“

Die Gegner dieser Bestimmung sind der Meinung, dieser Starartikel schränke die Meinungsäusserungsfreiheit ein. Jedoch vergessen diese dabei die Tatsache, dass Grundrechte keinen Absolutheitsanspruch haben. Die Vergangenheit hat uns eindrücklich vor Augen geführt, dass Hetze gegen besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen schrecklich enden können. Deshalb ist diese Einschränkung im Interesse der Öffentlichkeit, geeignet, erforderlich sowie verhältnismässig.

Die Internationale Vereinigung der Genozid-Forscher (IAGS) bezeichnet die Verleugnung als letzte Stufen des Völkermordes.[3] Der gleichen Meinung sind die jüdisch-amerikanische Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt[4] und der Entwickler der 10-Stufen-Theorie Gregory Stanton[5]. Der Völkermord ist ein organisiertes Verbrechen und dessen Verleumdung ist Teil dieser Systematik.

Ramazan Özgü


 [1] Resolution adopted by the General Assembly on 1 November 2005 [without reference to a Main Committee (A/60/L.12 and Add.1)].
[2] Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0)
[3] Resolution, International Association of Genocide Scholars, 2007, unter: http://www.genocidescholars.org/sites/default/files/document%09%5Bcurrent-page%3A1%5D/documents/IAGS-Resolution-Assyrian%20and%20Greek%20Genocide.pdf (abgerufen am 17. Mai 2017).
[4] Lipstadt, Deborah E., The Holocaust is humanity’s greatest failure, unter: https://www.theguardian.com/world/2009/sep/09/holocaust-analysis-deborah-lipstadt-germany (abgerufen am 18. Mai 2017).
[5] Stanton, Gregory H., 2013, The Ten Stages of Genocide, unter: http://www.genocidewatch.org/images/Ten_Stages_of_Genocide_by_Gregory_Stanton.pdf (abgerufen am 22. Mai 2017).

 

Photo by Michael Fousert on Unsplash

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